ein bündischer liedschöpfer

 

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otto leis (ottsch) 1909 -1984

kamerad, die trompete ruft  -  horridoh!  wir auf den fernen straßen   -  die klampfen erklingen

ottsch erzählt aus seiner wandervogelzeit:


der anfang

von großem einfluß für meine persönliche entwicklung war die berührung mit dem wandervogel. so blieb ich auch das ganze leben lang dem wandervogel, aber auch allgemein der jugendbewegung verbunden.

1921 wurde ich als elfjähriger von einem jungen aus der nachbarschaft auf fahrt und zum nestabend der altwandervögel mitgenommen. die aktivitäten und die kameradschaft dort entsprachen vollauf meinem wesen, denn ich zog schon als neunjähriger kurz nach dem ende des 1. weltkrieges an sonntagen ganz alleine los, die welt um frankfurt herum zu erobern. als wegzehrung wurde ein stück brot und etwas kunsthonig im brotbeutel verstaut, und los ging´s. man hat mich damals als knirps u.a. auf dem herzberg gesehen, in turnschuhen. es gab ja noch keine gescheiten schuhe. dann tat ich mich mit klassenkameraden zusammen und wanderte mit diesen u.a. nach eppstein, bad homburg und zur saalburg. wir wohnten damals im frankfurter nordend, die eltern und fünf kinder.

otto leis, 1939

 

beim wandervogel eine feste heimat gefunden

nun hatte ich bei den wandervögeln eine feste heimat gefunden. die ersten drei jahre dort war herbert post mein gruppenführer. er erlernte damals das schriftsetzerhandwerk, weil ihm aus finanziellen gründen noch nicht das kunststudium möglich war. von seinen schriften und zeichnungen war ich hell begeistert, ebenfalls von den liedern der wandervögel. da lernte auch ich mit dem zeichenstift umzugehen. herbert wurde später als professor leiter der kunstakademie für das grafische gewerbe in münchen. die nachkriegsjahre waren für uns junge menschen eine sehr bedürfnislose und vielleicht deshalb auch eine sehr glückliche zeit. von den heutigen sozialen errungenschaften waren wir aber noch weit entfernt. nach acht volksschuljahren empfahl mein lehrer, mich auf ein gymnasium zu schicken, denn ich hatte ein prima zeugnis. mein vater hatte dafür weder geld noch sinn. er entschied: ,,du lernst bäcker, brot wird immer gebraucht". der freund meines vaters war bäckermeister, dem war der lehrbub weggelaufen. ,,geh mal hin und hilf da mal", sagte der vater. so ging ich hin, blieb dort und wurde bäcker. ich hatte mich zuvor bei einem steindrucker als lehrling beworben, wo ich mein zeichnerisches können hätte praktisch verwerten können. aber davon wollte der vater nichts wissen. aus. -

 

auf fahrt

auf fahrt

 

samstags gings auf fahrt!

die wandervogelzeit ging weiter. obwohl ich morgens um 5 uhr in der backstube stehen mußte - samstags gings auf fahrt! da bin ich während des marschierens eingeschlafen; ich wurde dann geführt.
im altwandervogel war gustel daab mein neuer gruppenführer. er spielte toll klampfe und hat den grundstein für meine kompositorische betätigung gelegt. von meinem lehrbubengeld kaufte ich mir bei einem altwarenhändler in der altstadt für fünf mark eine klampfe. dann lernte ich klampfe spielen.
daß mich meine eltern nicht kurzerhand hinausgeschmissen haben, war erstaunlich. das ging immer nur: schrumm, schrumm, schrumm! gustel hatte ein liederbuch von walter gättke, in dem das lied "wir traben ins rote turnei, wir fliegen an gräben und hecken vorbei" vorkam. mit den baßläufen von gustel sang ich dann zigmal: "... und der tod, ja der tod ist unser gesell".

meine mutter ist bald verrückt geworden. das waren die freuden und leiden einer mutter, die einen bub hatte, der wandervogel war. 1925 übernahm hermann flohr die gruppe. das war auch der gruppenführer, den jupp müller hatte. die ortsgruppe besaß ein landheim im köpperner tal. wenn ich samstags spät alleine ankam, waren immer schon alle dort. bis homburg konnte ich fahren und mußte dann laufen, da gab es nämlich keine zugverbindung mehr. auf eisiger straße bin ich als fünfzehnjähriger hoch ins landheim getippelt. also, es waren schon strapazen, die man in seiner begeisterung auf sich nahm. da wurde man für die härten des lebens fitgemacht. mit dieser gruppe besuchte ich auch 1925 den lichtbildervortrag der nerother wandervögel über eine griechenlandfahrt und lernte dabei robert oelbermann kennen. seitdem zog es mich zur burg waldeck, und ich wechselte 1930 zum orden der freibeuter im nerother wandervogel.

 

kochen auf fahrt, knorr erbswurstsuppe

"kamerad, die trompete ruft"

1931 fand ich in den gesammelten wandervogel-zeitschriften, jahrgang 1917, das gedicht ,,kamerad, die trompete ruft" von g.w. harmßen. wie ein magnet zog mich das an zu einer vertonung. nachdem ich auf der klampfe die griffe beherrschte, hatte ich angefangen, fremde texte zu vertonen. es gibt so einige lieder, die habe ich nie wieder gesungen, obwohl meine freunde davon begeistert waren, so z.b. auch das lied ,,war einst ein kaiserlicher soldat". da ich ja keine noten kann, ist es schwierig, den anfang wieder ins gedächtnis zurückzurufen, wenn man mit der letzten zeile fertig ist. man muß schon sehr musikalisch sein, und das war ich ja und habe es geschafft. ,,kamerad, die trompete ruft" sang ich dann auf der fahrt nach neroth. das hat der werner helwig damals nicht gehört. als wir dann zurückgetippelt waren zur burg waldeck, sang ich es auch dort. erst als es erneut durch den klampfen-will auf die burg waldeck kam, übernahm es die bauhütte und dann ging es von dort aus wie ein lauffeuer durch die bünde. die hj  eignete sich später das lied an, auch die wehrmacht sang es. mein erster eigener text, den ich aus tiefstem innern geschaffen habe, war ,,ein hauptmann ist er gewesen". ich erlebte ja den 1. weltkrieg als bub. danach befaßte ich mich mit kriegsliteratur, um mehr darüber zu erfahren. aus diesem wissen entstand der text. da geschah es dann, daß ich zum ersten mal einen eigenen text vertonte. das war 1935.

 

rast in einer spessartkneipe

"horridoh! wir auf den fernen straßen"

dann dichtete und vertonte ich 1936 das lied "horridoh! wir auf den fernen straßen". dieses lied konnte nicht mehr in das von alf zschiesche und mir beim verlag günther wolff  herausgegebene liederbuch aufgenommen werden. zur vorbereitung des liederbuches ,,wenn die bunten fahnen wehen" traf ich mich häufig mit alf auf fahrt, in den wohnungen, aber auch in unserem landheim in hohl im spessart sowie auf der burg waldeck. alf schrieb die notensätze für meine lieder.
nachdem günther wolff unser liederbuch 1936 veröffentlicht hatte, wurden die im verlag auf vorrat gehaltenen hefte von der gestapo beschlagnahmt. alf und ich waren plötzlich mit der gestapo konfrontiert.
aber ein teil der auflage war längst über befreundete buchhändler und musikgeschäfte in die hände der damals verfemten bündischen gelangt.
zu erzählen wäre noch, daß wir anfang der dreißiger jahre zeitweise als ,,die vier fahrtenbrüder" im rundfunksender frankfurt / main gesungen haben."

der zweite weltkrieg kam. ottsch heiratete 1940 und wurde zum kriegsdienst eingezogen. drei jahre ostfront. frau und tochter suchten 1943 sicherheit auf dem land vor den alliierten bombenangriffen. so wurde der spessart zur neuen heimat für ottsch. schon 1929 kam ottsch in den spessart und mietete sich mit seinen jungen ein altes bauernhaus. bis in die illegalität war hier ein bündischer treffpunkt.

auch nach dem krieg widmete sich ottsch dem nerother wandervogel und dem komponieren von fahrtenliedern. so entstanden bündische schlager wie ziehen die straßen dahin oder die klampfen erklingen. ottsch starb am 15. august 1984. seine lieder aber leben weiter.

otto leis

fahrten quartier auf der ronneburg





ottsch's lieder
in klammern der textautor soweit nicht ottsch leis selber.


das zelt ist naß,
(walter haller)
der da vorn so laut die trommel,
der sommer liegt heiß überm tale,
(alfred hein)
die haut ward hart wie leder,
(alfred hein)
die klampfen erklingen,
ein hauptmann ist er gewesen,
eine kompanie soldaten,
(aus der liller kriegszeitung)
es ist nichts lustiger auf der welt,
(altes soldatenlied)
es waren drei rote husaren,
(klabund)
horridoh! wir auf den fernen straßen
ich weiß nicht, wo der weg verläuft
, (rudolf herzog)
ja, unsere welt ist das meer,
kamerad, die trompete ruft, (g.w. rarnißen)
liegt unser dorf im sonnenschein,
mach mir kein bitteres gesicht, (adler (?)
matrosen sind so,
sie haben tod und verderben gespien, (ferd.v.freiligrath)
war einst ein kaiserlicher soldat, (mündl.überliefen)
wenn ich nach sibirien trotte, (klabund)
wir haben die ganze welt gesehen, (walter mehring)
ziehen die straßen dahin,
zu sankt goarshausen am alten platz, (jörg ritzel)


links
otto leis - museum, mit werken von ottsch


literaturhinweis:
veröffentlichungen:
das klampfenlied,
schott mainz 1950
der neue zupfgeigenhansl,
schott, mainz 1983
der turm (a), voggenreiter,
bad godesberg 1952 und 1955
heijo, der fahrwind weht,
g.wolff, plauen i.v. 1933 und reprint 1963
horridoh,
neue und alte lieder der nerother, burg waldeck, dorweiler 1958
kameraden singt,
g.wolff, plauen i.v. 1935 und efm. 1963
wenn die bunten fahnen wehen,
g.wolff, plauen i.v. 1936

bild und text quelle: ottsch leis 1909 - 1984
wandervogel - liedschöpfer - zeichner
für den ottsch-leis-abend als manuskript gedruckt.
vom weinbacher wandervogel 1995




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peter rohland