kamerad,
die trompete ruft - horridoh! wir auf den fernen straßen
- die klampfen erklingen
ottsch erzählt aus seiner
wandervogelzeit:
der anfang
von großem einfluß für meine persönliche entwicklung war die berührung mit dem
wandervogel. so blieb ich auch das ganze leben lang dem wandervogel, aber auch allgemein
der jugendbewegung verbunden.
1921 wurde ich als elfjähriger von einem jungen aus der
nachbarschaft auf fahrt und zum nestabend der altwandervögel mitgenommen. die
aktivitäten und die kameradschaft dort entsprachen vollauf meinem wesen, denn ich zog
schon als neunjähriger kurz nach dem ende des 1. weltkrieges an sonntagen ganz alleine
los, die welt um frankfurt herum zu erobern. als wegzehrung wurde ein stück brot und
etwas kunsthonig im brotbeutel verstaut, und los ging´s. man hat mich damals als knirps
u.a. auf dem herzberg gesehen, in turnschuhen. es gab ja noch keine gescheiten schuhe.
dann tat ich mich mit klassenkameraden zusammen und wanderte mit diesen u.a. nach
eppstein, bad homburg und zur saalburg. wir wohnten damals im frankfurter nordend, die
eltern und fünf kinder.
beim wandervogel
eine feste heimat gefunden
nun hatte ich bei den wandervögeln eine feste heimat gefunden. die
ersten drei jahre dort war herbert post mein gruppenführer. er erlernte damals das
schriftsetzerhandwerk, weil ihm aus finanziellen gründen noch nicht das kunststudium
möglich war. von seinen schriften und zeichnungen war ich hell begeistert, ebenfalls von
den liedern der wandervögel. da lernte auch ich mit dem zeichenstift umzugehen. herbert
wurde später als professor leiter der kunstakademie für das grafische gewerbe in
münchen. die nachkriegsjahre waren für uns junge menschen eine sehr bedürfnislose und
vielleicht deshalb auch eine sehr glückliche zeit. von den heutigen sozialen
errungenschaften waren wir aber noch weit entfernt. nach acht volksschuljahren empfahl
mein lehrer, mich auf ein gymnasium zu schicken, denn ich hatte ein prima zeugnis. mein
vater hatte dafür weder geld noch sinn. er entschied: ,,du lernst bäcker, brot wird
immer gebraucht". der freund meines vaters war bäckermeister, dem war der lehrbub
weggelaufen. ,,geh mal hin und hilf da mal", sagte der vater. so ging ich hin, blieb
dort und wurde bäcker. ich hatte mich zuvor bei einem steindrucker als lehrling beworben,
wo ich mein zeichnerisches können hätte praktisch verwerten können. aber davon wollte
der vater nichts wissen. aus. -
auf fahrt
samstags gings auf
fahrt!
die wandervogelzeit ging weiter. obwohl ich morgens um 5 uhr in der
backstube stehen mußte - samstags gings auf fahrt! da bin ich während des marschierens
eingeschlafen; ich wurde dann geführt.
im altwandervogel war gustel daab mein neuer gruppenführer. er spielte toll klampfe und
hat den grundstein für meine kompositorische betätigung gelegt. von meinem lehrbubengeld
kaufte ich mir bei einem altwarenhändler in der altstadt für fünf mark eine klampfe.
dann lernte ich klampfe spielen.
daß mich meine eltern nicht kurzerhand hinausgeschmissen haben, war erstaunlich. das ging
immer nur: schrumm, schrumm, schrumm! gustel hatte ein liederbuch von walter gättke, in
dem das lied "wir traben ins rote turnei, wir fliegen an gräben und hecken
vorbei" vorkam. mit den baßläufen von gustel sang ich dann zigmal: "... und
der tod, ja der tod ist unser gesell".
meine mutter ist bald verrückt geworden. das waren die freuden und
leiden einer mutter, die einen bub hatte, der wandervogel war. 1925 übernahm
hermann flohr die gruppe. das war auch der gruppenführer, den jupp müller
hatte. die ortsgruppe besaß ein landheim im köpperner tal. wenn ich samstags spät
alleine ankam, waren immer schon alle dort. bis homburg konnte ich fahren und mußte dann
laufen, da gab es nämlich keine zugverbindung mehr. auf eisiger straße bin ich als
fünfzehnjähriger hoch ins landheim getippelt. also, es waren schon strapazen, die man in
seiner begeisterung auf sich nahm. da wurde man für die härten des lebens fitgemacht.
mit dieser gruppe besuchte ich auch 1925 den lichtbildervortrag der nerother wandervögel
über eine griechenlandfahrt und lernte dabei robert oelbermann kennen. seitdem
zog es mich zur burg waldeck, und ich wechselte 1930 zum orden der freibeuter im nerother
wandervogel.
"kamerad, die trompete
ruft"
1931 fand ich in den gesammelten
wandervogel-zeitschriften, jahrgang 1917, das gedicht ,,kamerad, die trompete
ruft" von g.w. harmßen. wie ein magnet zog mich das an zu einer vertonung.
nachdem ich auf der klampfe die griffe beherrschte, hatte ich angefangen, fremde texte zu
vertonen. es gibt so einige lieder, die habe ich nie wieder gesungen, obwohl meine freunde
davon begeistert waren, so z.b. auch das lied ,,war einst ein kaiserlicher
soldat". da ich ja keine noten kann, ist es schwierig, den anfang wieder ins
gedächtnis zurückzurufen, wenn man mit der letzten zeile fertig ist. man muß schon sehr
musikalisch sein, und das war ich ja und habe es geschafft. ,,kamerad, die trompete
ruft" sang ich dann auf der fahrt nach neroth. das hat der werner helwig
damals nicht gehört. als wir dann zurückgetippelt waren zur burg waldeck, sang ich es
auch dort. erst als es erneut durch den klampfen-will auf die burg waldeck kam, übernahm
es die bauhütte und dann ging es von dort aus wie ein lauffeuer durch die bünde. die
hj eignete sich später das lied an, auch die wehrmacht sang es. mein erster eigener
text, den ich aus tiefstem innern geschaffen habe, war ,,ein hauptmann ist er
gewesen". ich erlebte ja den 1. weltkrieg als bub. danach befaßte ich mich mit
kriegsliteratur, um mehr darüber zu erfahren. aus diesem wissen entstand der text. da
geschah es dann, daß ich zum ersten mal einen eigenen text vertonte. das war 1935.
"horridoh! wir auf den
fernen straßen"
dann dichtete und
vertonte ich 1936 das lied "horridoh! wir auf den fernen straßen".
dieses lied konnte nicht mehr in das von alf zschiesche und mir beim verlag günther
wolff herausgegebene liederbuch aufgenommen werden. zur vorbereitung des
liederbuches ,,wenn die bunten fahnen wehen" traf ich mich häufig mit alf auf fahrt,
in den wohnungen, aber auch in unserem landheim in hohl im spessart sowie auf der burg
waldeck. alf schrieb die notensätze für meine lieder.
nachdem günther wolff unser liederbuch 1936 veröffentlicht hatte, wurden die im
verlag auf vorrat gehaltenen hefte von der gestapo beschlagnahmt. alf und ich waren
plötzlich mit der gestapo konfrontiert.
aber ein teil der auflage war längst über befreundete buchhändler und musikgeschäfte
in die hände der damals verfemten bündischen gelangt.
zu erzählen wäre noch, daß wir anfang der dreißiger jahre zeitweise als ,,die vier
fahrtenbrüder" im rundfunksender frankfurt / main gesungen haben."
der zweite weltkrieg kam. ottsch heiratete 1940 und wurde zum kriegsdienst eingezogen. drei jahre ostfront. frau und tochter suchten 1943 sicherheit auf dem land vor den alliierten bombenangriffen. so wurde der spessart zur neuen heimat für ottsch. schon 1929 kam ottsch in den spessart und mietete sich mit seinen jungen ein altes bauernhaus. bis in die illegalität war hier ein bündischer treffpunkt.
auch nach dem krieg widmete sich ottsch dem nerother wandervogel und dem komponieren von fahrtenliedern. so entstanden bündische schlager wie
ziehen die straßen dahin oder die klampfen erklingen. ottsch starb am 15. august 1984. seine lieder aber leben weiter.
ottsch's lieder in klammern der textautor soweit nicht ottsch leis selber.
das zelt ist naß, (walter haller) der da vorn so laut die trommel, der sommer liegt heiß überm tale, (alfred hein) die haut ward hart wie leder, (alfred hein) die klampfen erklingen, ein hauptmann ist er gewesen, eine kompanie soldaten, (aus der liller kriegszeitung) es ist nichts lustiger auf der welt, (altes soldatenlied) es waren drei rote husaren, (klabund) horridoh! wir auf den fernen straßen ich weiß nicht, wo der weg verläuft, (rudolf herzog) ja, unsere welt ist das meer, kamerad, die trompete ruft, (g.w. rarnißen) liegt unser dorf im sonnenschein, mach mir kein bitteres gesicht, (adler (?) matrosen sind so, sie haben tod und verderben gespien, (ferd.v.freiligrath) war einst ein kaiserlicher soldat, (mündl.überliefen) wenn ich nach sibirien trotte, (klabund) wir haben die ganze welt gesehen, (walter mehring) ziehen die straßen dahin, zu sankt goarshausen am alten platz, (jörg ritzel)
literaturhinweis: veröffentlichungen: das klampfenlied, schott mainz 1950 der neue zupfgeigenhansl, schott, mainz 1983 der turm (a), voggenreiter, bad godesberg 1952 und 1955 heijo, der fahrwind weht, g.wolff, plauen i.v. 1933 und reprint 1963 horridoh, neue und alte lieder der nerother, burg waldeck, dorweiler 1958 kameraden singt, g.wolff, plauen i.v. 1935 und efm. 1963 wenn die bunten fahnen wehen, g.wolff, plauen i.v. 1936
bild und text quelle: ottsch leis 1909 - 1984 wandervogel - liedschöpfer - zeichner für den ottsch-leis-abend als manuskript gedruckt. vom weinbacher wandervogel 1995