1933 - 1966

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Peter Rohland  / Chansonniers und Liedermacher

Die Wanderjahre

Pitter, wie ihn seine Freunde nannten, kam aus der Schwäbischen Jungenschaft in Göppingen. Pimpf, Hortenführer, früh lernte er, die Klampfe zu spielen - eine ganz "normale" Entwicklung in "unseren" Kreisen in den fünfziger Jahren. 1933 geboren, wuchs er gewissermaßen gerade zur richtigen Zeit hinein in das Wiederaufleben der Jungenschaften in der Bundesrepublik nach dem Kriege. Früh fiel aber auf, daß er eine ihm von der Natur geschenkte ausgeprägte und tragende schöne Stimme hatte, die ihn dazu brachte, in den Hortengesängen nicht nur mitzusingen, sondern auch Lieder vorzutragen. Man hörte ihm gern zu. Aber das war noch nichts Besonderes, das gibt es öfter unter Bündischen.

Peter Rohland, geb. 22,2,1933 - gest. 5.4.1966 (Berlin)

Peter Rohland 1933 - 1966

Die Fahrten brachten ihn auch mit fremden musikalischen Welten in Kontakt. Vor allem die griechischen Lieder mit ihren fremden Rhythmen zogen ihn in ihren Bann. Er nahm sie auf und brachte sie mitreißend "unters Volk", in die Gruppen und Horten. Und so wurde er einer der Väter der "griechischen Welle" im Gesang der Bündischen der 50er Jahre.

Man hörte ihm aber auch sonst zu. Er hatte ein natürliches Charisma, das viele in seinen Bann zwang. Bald war die Schwäbische Jungenschaft ohne ihn nicht mehr zu denken. Dazu kam die Begegnung mit der Waldeck, diesem merkwürdigen, fast mythischen Ort im Hunsrück, legendärer Ort der frühen Nerother, den Werner Helwig so einprägsam beschrieben hat, auch in den fünfziger Jahren trotz mancher Querelen ein Ort des Singens und der Begegnung. Die Schwaben fühlten sich dort bald wie zuhause, bauten ein eigenes Haus, das "Schwabenhaus".

Die engagierten Lehrjahre

Pitter fing in Berlin ein Jurastudium an, darin seinem Vater folgend, der Opernsänger hatte werden wollen, aber, die Brotlosigkeit dieses Berufes für sich erkennend, Rechtsanwalt geworden war. Berlin mußte es sein, weil Berlin damals die aufregendste Stadt der Bundesrepublik war. Die Studenten wurden aufmüpfig gegen alle Staatsreglements, und Folklore- und Protest-Sänger aus aller Welt trafen sich vor allem dort in den Kneipen. Zuvor aber hatte Pitter mit seinem Freund Fred Kottek noch eine große Trampfahrt in den Orient unternommen - sie kamen bis Kuweit.

Pitter war in Berlin aber weniger in den Hörsälen und Seminaren zu finden, sondern mehr unter seinen studentischen Freunden, die zumeist aus den Bünden kamen. Bald bildete sich auf der Burg Waldeck ein studentischer Arbeitskreis, der über das enge jugendbewegte Denken hinausstrebte und sich in die gesellschaftlichen Diskussionen der ausgehenden Restaurationszeit des Nachkriegs kritisch einschaltete.

Früh hatte Pitter, der Erzmusikant unter ihnen, begriffen, daß Lieder nicht nur so einfach da sind, sondern daß jedes gute Lied einen Hintergrund hat, einen menschlichen, einen sozialen oder einen politischen Hintergrund, und daß dieser Hintergrund durchscheinen muß, wenn man singt. So kam es, daß Pitter früh anfing, mit seinen Liedern auch Stellung zu beziehen. Er fing an, Liedforschung zu betreiben. Ihn interessierten besonders die Lieder der Ausgegrenzten, der Landstreicher und Landstörzer, die er bereits auf seiner großen Orientfahrt kennengelernt hatte, die er nun bewußt suchte, aufzeichnete und die er dort, wo er nur Texte fand (z.B. in Ostwalds "Lieder aus dem Rinnstein"), in passende Melodien setzte. Damit kamen ihm auch die Lieder des frühen Dichters der Ausgegrenzten, Francois Villon, nahe, dessen deutsche Nachdichtungen von Paul Zech er kongenial vertonte.

Ganz besonders aber berührten ihn die Lieder der Juden, deren grauenhaftes Schicksal unter den Nazis in jenen Jahren erst nach und nach in seinem vollem Umfang bekannt wurde. Hier waren es nicht nur ausgegrenzte Menschen, sondern ein ganzes Volk, seine Kultur und damit auch seine Lieder waren so gut wie ausgerottet worden. Pitter lernte in Berlin einige dieser Lieder kennen, erkannte bald, daß es mit einem bloßen Nachsingen hier nicht getan war, und begann nun, die jiddische Sprache intensiv zu lernen und nach den verlorenen und vergessenen Liedern der geschundenen Juden zu suchen.

Die kurzen Jahre des Wirkens

Diese Lieder wollten vorgetragen werden. Mit seinen Freunden Gesine Köhler und Hanno Botsch bildete er eine Gruppe, die in Konzerten auftreten konnte. Seine Landstreicherballaden sang er zusammen mit dem Concertina-Spieler Schobert Schulz, der später im Duo Schobert und Black bekannt wurde. Allein trug er die "Lieder deutscher Demokraten" vor, die er aus Archiven und wissenschaftlichen Publikationen ausgegraben und zu neuem Leben erweckt hatte.

Es traf sich gut, daß sich in diesen Jahren um 1960 herum überall und vor allem in studentischen Kreisen um die überall neu auftauchenden Folk-Sänger und "Liedermacher" (der Ausdruck entstand in dieser Zeit) Auditorien bildeten. Folklorekneipen und andere Treffpunkte entstanden, in sogenannten Kleinkunsttheatern wurde gesungen. Die heute wohlbekannten Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey, Hannes Wader und viele andere hatten hier ihr erstes Auditorium. Die Polit- und Protestsänger traten auf. Und ebenso wurde natürlich auf der Waldeck gesungen, wo die Sangeskunst der Vaganten und die Folklore fremder Völker immer schon eine Heimstatt hatten. Überall in diesen Auditorien war Peter Rohland zu Hause, und seine Stimme, die sich inzwischen geschult hatte, war unter den vielen Sängern nicht zu überhören, sie war bei weitem die musikalischste unter ihnen.

Peter Rohland und Franz Josef Degenhardt

Peter Rohland und F.J.Degenhardt

Hier auf der Waldeck wurde, stark unter Pitters Einfluß, im Studentischen Arbeitskreis der ABW (Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck) die Idee zu den inzwischen legendären Festivals für Chanson und Folklore geboren. Das finanzielle, aber auch das organisatorische Risiko, in Deutschland, aber auch international zu einem solchen Festival einzuladen, war damals immens groß. Unterstützungen gab es nicht und wären auch nicht gewünscht worden. Das Risiko wurde von der ABW und ganz persönlich auch von ihrem Vorsitzenden, dem unvergeßlichen Rudi Schmaltz, übernommen.

Pfingsten 1964 fand das erste Festival auf Burg Waldeck statt. Noch war die Zahl der Sänger und Zuhörer klein, aber in den darauffolgenden Festivals explodierte sie, bis sie 1968 bei rund 5000 Zuschauern lag und die Sänger aus ganz Europa, besonders aus Spanien, Italien, Belgien, England, Frankreich sowieso, und aus Amerika kamen, ein deutsches "Woodstock" gewissermaßen, mehrere Jahre, bevor in Amerika das berümt-berüchtigte Woodstock stattfand.

1964 und 1965 war Peter Rohland als einer der wichtigsten Sänger dabeigewesen und hatte die Landstreicherballaden, die Lieder des Francois Villon und vor allem die jiddischen Lieder vorgetragen. Im Januar danach erkrankte er plötzlich und starb, kaum 33 Jahre alt, am 5. April 1966.

Seine Lieder leben weiter.

Vor allem aber lebt eines weiter : als einer der ersten hatte Pitter gezeigt, daß es auch nach dem Mißbrauch des Volksliedes durch die Nazis noch Möglichkeiten des deutschen Liedes gab, und er zeigte, daß Chanson und Folksong auch in Deutschland mehr sein können als das bloße Nachahmen der kommerziellen Chansons, Folksongs und Protestlieder. Er suchte kein schönes Gegenbild zur "modernen Welt", er sah vielmehr im Lied das Zeugnis menschlichen Leidens und Frohseins. Er löste das Volkslied aus der romantisierenden Ideologie und machte es zum Bestandteil eines progressiven Bewußtseins und zu einem "modernen Lied", das Armut, Verfolgung und Ungerechtigkeit als Themen nicht ausklammert.

Schobert Schulz und Peter Rohland

Schobert Schulz ( Schobert & Black ) u.Peter Rohland

Seine Landstreicherballaden stellen geradezu eine neue Gattung des Folksongs dar; mit seinen Interpretationen jiddischer Lieder erschloß er mehr als ihren exotischen Reiz; mit seinen Liedern deutscher Demokraten deckte er eine vergessene Tradition des deutschen politischen Liedes wieder auf (Stephan Rögner 1976).

Damit hat Peter Rohland aber auch den bündischen Gruppen, aus denen er seinen Ursprung hatte, etwas gegeben, das sich gleich gewichtig neben die Anregungen und Liedschöpfungen von Werner Helwig, von tejo (Walter Scherf), von olka (Erich Scholz), Roland Eckert und anderen stellt und das auch dem Singen in den Gruppen einen neuen, viel weiteren Horizont gab.

Helm König, Oktober 1999

© Copyright:  Helmut König, Eichhornweg 11, D-30900 Wedemark

DIESER TEXT UNTERLIEGT DEM URHEBERRECHTSSCHUTZ NACH DEUTSCHEM UND INTERNATIONALEM RECHT


 inhaltsverzeichnis
     bündische biographie
 1) tonträger
 2) verzeichnis der lied Interpretationen
 3) nachlass peter rohland
 4) literatur
 5) weblinks

 tonträger:

 un as der rebbe singt. jiddische lieder.
THOROFON CTH 2123

 landstreicherballaden und lieder des francois villon. hörproben "peter rohland und schobert schulz" 
THOROFON CTH 2133

 48er lieder - lieder deutscher demokraten
THOROFON CTH 2143

  seh ich schwäne nordwärts fliegen - 60 weitere lieder der bündischen und schwarzzeltvölker (doppel CD)
cd 1, lied nr. 30: am unteren hafen
cd 1, lied nr. 31: ich schaukle meine müdigkeit
cd 2, lied nr. 5: alle, die mit uns auf kaperfahrt fahren
cd 2, lied nr. 6: ik heff mol in hamburg een veermaster sehn
cd 2, lied nr. 8: vom tag das amen sonnenschwer
cd 2, lied nr. 11: klar wie der morgenstern
cd 2, lied nr. 16: ik jag der bär
cd 2, lied nr. 17: da war eenmol een olen kasten
cd 2, lied nr. 19: ich seh schon ganz vergammelt aus
cd 2, lied nr. 24: herr glomme sang im mylerwald

THOROFON CTH 2491/2


 verzeichnis der lied Interpretationen von peter rohland

 lieder von anderswo

Alle, die mit uns auf Kaper fahren
Dor was eenmol een ölen Kassen
Hey, hawl away
Ik hew mol in Hamborg een Veermaster sehn
Am unteren Hafen
Schiffe im Hafen
Aus grenzenlosen Weiten steigt die Nacht
Eingeschenkt, eingeschenkt
Nehm ich die Bandura
Schlaf, mein Bub, ich will dich loben
Paul Bunyan
l'm gonna leave Old Texas now
Wenn ins wogende Gras
Seid still, ihr dogies
Klar wie der Morgenstern
Herr Glömme sang im Mylerwald
Hoch am Himmel
Das Klosterleben
Zu Straßburg auf der Schanz
Es geht wohl zu der Sommerszeit
Stella australis
Ich schaukle meine Müdigkeit


 landstreicherballaden

So leben wir
Als wir jüngst verschüttjegangen waren
Drunten steht das dunkle Kittchen
Wir drei, wir gehn jetzt auf die Walze
An der Weichsel, fern im Osten
Als die Kunden frech geworden
Es wohnte ein Krauter
Das Schickslein an der Lahn
Weißt du, wieviel Kunden laufen
Der Bettelvogt
Hei, wie ist das Walzen schön
In dem kleinen Bückeburger Land
In der Penne tiefster Klause
Du schönstes Kind
Fordre niemand, mein Schicksal zu hören
Morgenrot! Morgenrot!
Ich bin ein Kunde, kennt ihr diesen Namen?
Der Saumarkt
Juch drunter und drüber
Solange die Kessel flickerei noch lebt
Lustig, lustig, ihr deutschen Brüde

 jiddische lieder

Un as der Rebbe Alimelech
Fohr ijch mir arois
Hot majne homntashn
Wolt ijch sejn a rov
Mai komashma Ion
Jich nehm dos peckel
Frateg far nacht
Baj dem shteti
Bin ijch mir a schnajderl
Jomme, Jomme, shpil mir a lidele
Un as der Rebbe singt
Hot der täte funjaridl
Tzen bridder
Amol is gewen a majsse
Unter a klajn bajmele
Du majdele, du shajns
Lo mir ale singen
Baj majn Rebben is gewen
Un äs dejontefdige tejg
Shiof, majn sun
Unter de chirwes von Pojln
Shtil, die nacht ist ojsgeshtemt
's brent, bridderlech, 's brent

 lieder des francois villon

Die Ballade vom guten und schlechten
Lebenswandel
Die Sommerballade von der armen Louise
Eine kleine Räuberballade von den drei Coquillards
Die Ballade von einem netten kleinen Barbier
Die Ballade von den berühmten Frauen des
Altertums
Die Ballade von der schönen Stadt Morah
Die Ballade vom Appell Villons an das Parlament
Eine kleine Liebesballade, gedichtet für Jeanne C. de Quee
Die Ballade von den drei Landstreichern
Die Ballade von der treulosen Cylaea
Die Ballade vom kleinen Florestan
Die Räuberballade von Pierre, dem roten
Coquillard

 lieder deutscher demokraten

Deutschland, du zerrissen Herz
Bürgerlied
Deutscher Nationalreichtum
0 König von Preußen
In dem Kerker saßen
Wo soll ich mich hinkehren
Seht, da steht der große Hecker
Lied eines kosmopolitanischen Nachtwächters
Fürstenjagd
Wohlgeboren
Der gute, stammelnde Untertan
Hier im Ort ist ein Gericht
Brandenburg, Brandenburg
Mein Deutschland
Im März, da hast du gestritten
Michels Abendlied
Noch ist Polen nicht verloren
Denkt ihr daran
Ausgelitten, ausgerungen
Trotz alledem
Mein Vater wird gesucht
Die Moorsoldaten


 nachlass peter rohland

seit dem frühjahr des jahres 2001 ist das deutsche volksliedarchiv im besitz des nachlasses von peter rohland, er besteht aus tonaufnahmen, plakaten, konzertprogrammen, hand- und maschinenschriftlichen notizen, fotos.


 literatur:

hermes handlexikon,"die großen chansonniers und liedermacher" von matthias henke. 
düsseldorf: econ verlag, 1987. isbn 3-612-10052-1. 

"rotgraue raben" - vom volkslied zum folksong - von hein und oss kröher,
südmarkverlag kg, postfach 150330, 70076 stuttgart

holler, eckard: peter rohland - volksliedsänger zwischen bündischer jugend und deutschem folkrevival in: puls 24 (april 2005),issn 0342-3328, best.- nr. 684,verlag der jugendbewegung, postfach 150330, 70076 stuttgart 

peter rohland 1933-1966, folkbuch 6, hrsg. helga u. heinz mees u. wilhelm g.reinheimer, edition venceremos, rüsselsheim 1976


 links:

jiddische lieder im nachkriegsdeutschland

peter rohland stiftung

gisela probst-effah: lieder gegen "das dunkel in den köpfen". untersuchungen zur folkbewegung in der BRD

peter rohland (wikipedia)


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