Pitter, wie ihn seine Freunde nannten, kam aus der Schwäbischen
Jungenschaft in Göppingen. Pimpf, Hortenführer, früh lernte
er, die Klampfe zu spielen - eine ganz "normale" Entwicklung in "unseren"
Kreisen in den fünfziger Jahren. 1933 geboren, wuchs er gewissermaßen
gerade zur richtigen Zeit hinein in das Wiederaufleben der Jungenschaften in
der Bundesrepublik nach dem Kriege. Früh fiel aber auf, daß er eine
ihm von der Natur geschenkte ausgeprägte und tragende schöne Stimme
hatte, die ihn dazu brachte, in den Hortengesängen nicht nur mitzusingen,
sondern auch Lieder vorzutragen. Man hörte ihm gern zu. Aber das war noch
nichts Besonderes, das gibt es öfter unter Bündischen.
Peter Rohland 1933 - 1966
Die Fahrten brachten ihn auch mit fremden musikalischen
Welten in Kontakt. Vor allem die griechischen Lieder mit ihren fremden Rhythmen
zogen ihn in ihren Bann. Er nahm sie auf und brachte sie mitreißend "unters
Volk", in die Gruppen und Horten. Und so wurde er einer der Väter
der "griechischen Welle" im Gesang der Bündischen der 50er Jahre.
Man hörte ihm aber auch sonst zu. Er hatte ein natürliches
Charisma, das viele in seinen Bann zwang. Bald war die Schwäbische Jungenschaft
ohne ihn nicht mehr zu denken. Dazu kam die Begegnung mit der Waldeck, diesem
merkwürdigen, fast mythischen Ort im Hunsrück, legendärer Ort
der frühen Nerother, den Werner Helwig so einprägsam beschrieben
hat, auch in den fünfziger Jahren trotz mancher Querelen ein Ort des Singens
und der Begegnung. Die Schwaben fühlten sich dort bald wie zuhause, bauten
ein eigenes Haus, das "Schwabenhaus".
Die engagierten Lehrjahre
Pitter fing in Berlin ein Jurastudium an, darin seinem
Vater folgend, der Opernsänger hatte werden wollen, aber, die Brotlosigkeit
dieses Berufes für sich erkennend, Rechtsanwalt geworden war. Berlin mußte
es sein, weil Berlin damals die aufregendste Stadt der Bundesrepublik war.
Die Studenten wurden aufmüpfig gegen alle Staatsreglements, und Folklore-
und Protest-Sänger aus aller Welt trafen sich vor allem dort in den Kneipen.
Zuvor aber hatte Pitter mit seinem Freund Fred Kottek noch eine große
Trampfahrt in den Orient unternommen - sie kamen bis Kuweit.
Pitter war in Berlin aber weniger in den Hörsälen
und Seminaren zu finden, sondern mehr unter seinen studentischen Freunden,
die zumeist aus den Bünden kamen. Bald bildete sich auf der Burg Waldeck
ein studentischer Arbeitskreis, der über das enge jugendbewegte Denken
hinausstrebte und sich in die gesellschaftlichen Diskussionen der ausgehenden
Restaurationszeit des Nachkriegs kritisch einschaltete.
Früh hatte Pitter, der Erzmusikant unter ihnen,
begriffen, daß Lieder nicht nur so einfach da sind, sondern daß
jedes gute Lied einen Hintergrund hat, einen menschlichen, einen sozialen oder
einen politischen Hintergrund, und daß dieser Hintergrund durchscheinen
muß, wenn man singt. So kam es, daß Pitter früh anfing, mit
seinen Liedern auch Stellung zu beziehen. Er fing an, Liedforschung zu betreiben.
Ihn interessierten besonders die Lieder der Ausgegrenzten, der Landstreicher
und Landstörzer, die er bereits auf seiner großen Orientfahrt kennengelernt
hatte, die er nun bewußt suchte, aufzeichnete und die er dort, wo er
nur Texte fand (z.B. in Ostwalds "Lieder aus dem Rinnstein"), in
passende Melodien setzte. Damit kamen ihm auch die Lieder des frühen Dichters
der Ausgegrenzten, Francois Villon, nahe, dessen deutsche Nachdichtungen von
Paul Zech er kongenial vertonte.
Ganz besonders aber berührten ihn die Lieder der
Juden, deren grauenhaftes Schicksal unter den Nazis in jenen Jahren erst nach
und nach in seinem vollem Umfang bekannt wurde. Hier waren es nicht nur ausgegrenzte
Menschen, sondern ein ganzes Volk, seine Kultur und damit auch seine Lieder
waren so gut wie ausgerottet worden. Pitter lernte in Berlin einige dieser
Lieder kennen, erkannte bald, daß es mit einem bloßen Nachsingen
hier nicht getan war, und begann nun, die jiddische Sprache intensiv zu lernen
und nach den verlorenen und vergessenen Liedern der geschundenen Juden zu suchen.
Die kurzen Jahre des Wirkens
Diese Lieder wollten vorgetragen werden. Mit seinen Freunden
Gesine Köhler und Hanno Botsch bildete er eine Gruppe, die in Konzerten
auftreten konnte. Seine Landstreicherballaden sang er zusammen mit dem Concertina-Spieler
Schobert Schulz, der später im Duo Schobert und Black
bekannt wurde. Allein
trug er die "Lieder deutscher Demokraten" vor, die er aus Archiven
und wissenschaftlichen Publikationen ausgegraben und zu neuem Leben erweckt
hatte.
Es traf sich gut, daß sich in diesen Jahren um
1960 herum überall und vor allem in studentischen Kreisen um die überall
neu auftauchenden Folk-Sänger und "Liedermacher" (der Ausdruck
entstand in dieser Zeit) Auditorien bildeten. Folklorekneipen und andere Treffpunkte
entstanden, in sogenannten Kleinkunsttheatern wurde gesungen. Die heute wohlbekannten
Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey, Hannes Wader und viele andere hatten
hier ihr erstes Auditorium. Die Polit- und Protestsänger traten auf. Und
ebenso wurde natürlich auf der Waldeck gesungen, wo die Sangeskunst der
Vaganten und die Folklore fremder Völker immer schon eine Heimstatt hatten.
Überall in diesen Auditorien war Peter Rohland zu Hause, und seine Stimme,
die sich inzwischen geschult hatte, war unter den vielen Sängern nicht
zu überhören, sie war bei weitem die musikalischste unter ihnen.
Peter
Rohland und F.J.Degenhardt
Hier auf der Waldeck wurde, stark unter Pitters Einfluß,
im Studentischen Arbeitskreis der ABW (Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck) die
Idee zu den inzwischen legendären Festivals für Chanson und Folklore
geboren. Das finanzielle, aber auch das organisatorische Risiko, in Deutschland,
aber auch international zu einem solchen Festival einzuladen, war damals immens
groß. Unterstützungen gab es nicht und wären auch nicht gewünscht
worden. Das Risiko wurde von der ABW und ganz persönlich auch von ihrem
Vorsitzenden, dem unvergeßlichen Rudi Schmaltz, übernommen.
Pfingsten 1964 fand das erste Festival auf
Burg Waldeck
statt. Noch war die Zahl der Sänger und Zuhörer klein, aber in den
darauffolgenden Festivals explodierte sie, bis sie 1968 bei rund 5000 Zuschauern
lag und die Sänger aus ganz Europa, besonders aus Spanien, Italien, Belgien,
England, Frankreich sowieso, und aus Amerika kamen, ein deutsches "Woodstock"
gewissermaßen, mehrere Jahre, bevor in Amerika das berümt-berüchtigte
Woodstock stattfand.
1964 und 1965 war Peter Rohland als einer der wichtigsten
Sänger dabeigewesen und hatte die Landstreicherballaden, die Lieder des
Francois Villon und vor allem die jiddischen Lieder vorgetragen. Im Januar
danach erkrankte er plötzlich und starb, kaum 33 Jahre alt, am 5. April
1966.
Seine
Lieder leben weiter.
Vor allem aber lebt eines weiter : als einer
der ersten hatte Pitter gezeigt, daß es auch nach dem Mißbrauch
des Volksliedes durch die Nazis noch Möglichkeiten des deutschen
Liedes gab, und er zeigte, daß Chanson und Folksong auch in Deutschland
mehr sein können als das bloße Nachahmen der kommerziellen
Chansons, Folksongs und Protestlieder. Er suchte kein schönes
Gegenbild zur "modernen Welt", er sah vielmehr im Lied das
Zeugnis menschlichen Leidens und Frohseins. Er löste das Volkslied
aus der romantisierenden Ideologie und machte es zum Bestandteil eines
progressiven Bewußtseins und zu einem "modernen Lied",
das Armut, Verfolgung und Ungerechtigkeit als Themen nicht ausklammert.
Schobert Schulz
( Schobert & Black ) u.Peter Rohland
Seine Landstreicherballaden stellen geradezu eine neue
Gattung des Folksongs dar; mit seinen Interpretationen jiddischer Lieder erschloß
er mehr als ihren exotischen Reiz; mit seinen Liedern deutscher Demokraten
deckte er eine vergessene Tradition des deutschen politischen Liedes wieder
auf (Stephan Rögner 1976).
Damit hat Peter Rohland aber auch den bündischen
Gruppen, aus denen er seinen Ursprung hatte, etwas gegeben, das sich gleich
gewichtig neben die Anregungen und Liedschöpfungen von Werner Helwig,
von tejo (Walter Scherf), von olka (Erich Scholz), Roland Eckert und anderen
stellt und das auch dem Singen in den Gruppen einen neuen, viel weiteren Horizont
gab.
48er lieder - lieder deutscher
demokraten
THOROFON CTH 2143
seh ich schwäne nordwärts fliegen - 60 weitere lieder der bündischen und schwarzzeltvölker (doppel CD)
cd 1, lied nr. 30: am unteren hafen
cd 1, lied nr. 31: ich schaukle meine müdigkeit
cd 2, lied nr. 5: alle, die mit uns auf kaperfahrt fahren
cd 2, lied nr. 6: ik heff mol in hamburg een veermaster sehn
cd 2, lied nr. 8: vom tag das amen sonnenschwer
cd 2, lied nr. 11: klar wie der morgenstern
cd 2, lied nr. 16: ik jag der bär
cd 2, lied nr. 17: da war eenmol een olen kasten
cd 2, lied nr. 19: ich seh schon ganz vergammelt aus
cd 2, lied nr. 24: herr glomme sang im mylerwald
seit dem frühjahr des jahres 2001 ist das deutsche volksliedarchiv im besitz des nachlasses von peter rohland,
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notizen, fotos.
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